Gibt es einen schöneren Zeitpunkt für den Start eines Filmblogs als die Viennale? Ich glaube nicht. Die Zeit, wenn die Urania im Nebel liegt, wenn das Licht vom Gartenbau auch unter der Woche sich zwischen Menschentrauben auf die Straße zwängt, wenn das Metro wieder öffnet und das Stadtkino, ja, halt auch da ist.

Es ist eine besondere Viennale, schon allein deshalb, weil es diesmal einen neuen Kinosaal gibt: Der Eric-Pleskow-Saal im frisch renovierten Metro. Wer hätte erwartet, dass man hier, im 1. Bezirk, irgendwo im zweiten Stock noch einen Kinosaal eröffnen könnte – dem Filmarchiv ist es gelungen. Benannt ist der Saal nach einem Exilösterreicher, der die Filmgeschichte in Hollywood lange begleitet und sicher auch geprägt hat. Pleskow war Chef der United Artists und Orion, nebenher ist er seit 16 Jahren Präsident der Viennale.

Und während die kontroversen Diskussionen um Raumklima und Sitzkomfort im neuen Minisaal die sozialen Medien durchdringen, freut sich der 90-jährige Pleskow über die späte Ehre, die ihm ausgerechnet in der Stadt zuteil wird, aus der er als Jude in der Vorkriegszeit emigrierte. Trotz seines gespaltenen Verhältnisses zu Österreich ist Pleskow dem Land und seinem kulturellen Schaffen heute wieder zugewandt. Aber Pleskow betont auch, dass er die Chancen seines Lebens im Exil hatte. Für ihn ein Glück, für Europa ein Verlust.

Es sind späte Versuche, das hier Verpasste aufzuholen, aber es gibt sie: ambitionierte Filmprojekte wie Andreas Prochaskas Das finstere Tal zeugen vom Mut, aus der europäischen Arthouse-Ecke auszubrechen. Das gelingt nicht immer gut (wie auch im Fall des österreichischen Alpenwestern). Aber auch Hollywood hat nicht nur großes Kino präsentiert.

Ein bisschen mangelt es auch der Viennale an Selbstbewusstsein. Das Festival präsentiert sich gerne als gemütliches Treffen von Filmfans in der schönsten Stadt der Welt. Keine Frage, das soll auch so bleiben. Aber etwas mehr Mut zur Premiere, zu internationaler Wahrnehmung wäre schon nicht schlecht. Wenn ich in Deutschland von meinem Besuch bei der Viennale erzähle, fragt man mich regelmäßig: “Wo ist denn gerade eine Biennale?” Das gemütliche Filmfest im Nachbarland ist den Menschen nicht präsent, häufig sogar nicht bekannt. Vielleicht liegt das auch daran, dass ein greifbares goldenes Gimmick fehlt: Neben Palme, Löwe und Bär kommt der FIPRESCI Preis etwas ungelenk daher.

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