Es war ursprünglich ein Kurzfilm. Und es hätte einer bleiben sollen. Denn was Regisseur Gustavo Taretto dem Kinobesucher in seiner Langversion von Medianeras antut, hat wenig mit Spannungsbogen und Kinovergnügen zu tun.

Dabei gibt es auf den ersten Blick Abwechslung zur Genüge. Martín (Javier Drolas), ein junger Webdesigner, sitzt in seiner Bude in Buenos Aires. Eines dieser „Schuhkartons“ genannten Minizimmer in gesichtslosen Hochhäusern mit dunklen Fluren und bröckelndem Putz. Martín sitzt also da, mit seinem kleinen Hund und seinem Computer. Essen bestellt er übers Internet, Sex ebenso. Vor die Tür geht er kaum.
Ihm stellt Regisseur Taretto die langhaarige, brunette Architektin Mariana (Pilar López de Ayala) gegenüber. Sie hat noch nie ein Haus gebaut, schlägt sich als Schaufenstereinrichterin durch – und wohnt ebenfalls in einem der Schuhkartons und hat panische Angst vor Fahrstühlen.

Beide verbindet die Suche nach einem Ausweg aus diesem Leben. Beide stolpern in wenigversprechende Flirts und in kurze, unbefriedigende Beziehungen, mit der Hundesitterin, der Zufallsbekanntschaft oder mit dem Blind Date. Das geht so hin und her, knappe eineinhalb Stunden lang. Klingt langweilig. Ist es auch.
Die Hauptfiguren sind flach und stereotyp. Nichts überrascht, nicht die kleinen Macken, die beide haben und das Leiden von einsamen Seelen wurde unzählige Male verfilmt. Es gibt nette Ideen, wenn zum Beispiel Mariana eine Figur in einem Bilderbuch für Kinder nicht wiederfindet – eine Metapher für die Welt da draußen, in der wir alle die Übersicht verlieren. Und selbstverständlich leidet der Kinobesucher, wenn Martín von einer Frau versetzt wird oder wenn Mariana die Flucht vor ihrem Date ergreift.

Aber noch viel mehr leidet er unter der Absurdität einiger Szenen. Wenn Mariana Sex mit ihrer Schaufensterpuppe hat, ist das lustig und vielleicht sogar realistisch. Der Gipfel der Erzählkunst in einem ansonsten wenig inspirierenden Film ist es jedenfalls nicht. Ebenso der Chat im Internet, in dem sich die Beiden schließlich kennenlernen. Sie bringen sich mit völlig unlustigen Kommentaren zum Lachen, sie schnulzen sich gegenseitig mit ihrer Einsamkeit voll. Martín präsentiert sich dabei mit so viel Selbstmitleid und Neurose, dass jede Frau außerhalb des Kinos die Flucht ergriffen hätte.

Leider fehlt Medianeras die Geschichte hinter der Geschichte, die den Spannungsbogen aufrechterhält. So hangelt sich der Film von einer gescheiterten Beziehung zur nächsten. Das wirkt wie ein Episodenfilm mit den immer gleichen Darstellern, mit guten Ideen in jeder Episode, die aber nicht tragfähig sind. Einen tieferen Sinn hinter der Geschichte gibt es nicht. Die große Stärke von Medianeras sind die Filmaufnahmen von Buenos Aires. Andere Regisseure haben meisterhaft Städte portraitiert und sich dabei meditativer Geschichten mit fein gezeichneten Charakteren bedient. Michael Mann schaffte das in den bildgewaltigen
Thrillern Heat und Collateral. Robert Altmann zeichnete im Episodenfilm Short Cuts ein ganz eigenes Bild von Los Angeles. Und Sofia Coppola bettete ihren Blick auf ein ebenso skurriles wie gewaltiges Tokio in eine feinsinnige Liebesgeschichte.

Aber Medianeras hilft es nur wenig, dass Regisseur Taretto mit eingeschobenen Architekturaufnahmen immer wieder Parallelen zwischen Buenos Aires und der menschlichen Gesellschaft zieht. Die Bilder der wuchernden, aber maroden 11-Millionenstadt sind Architekturfotographie vom Feinsten. Dazu halten die Protagonisten wortgewaltige Monologe über die Stadt als Fehlplanung und Sinnbild für das Chaos der Zivilisation. Aber das alles ist plakativ, gewollt intellektuell und abgekoppelt von der eigentlichen Geschichte des Films. Martín widmet sich Fotos von Straßenszenen, in Marianas Kopf entstehen Pläne von Gebäuden. Nichts davon zieht sich als roter Faden im Hintergrund durch die Geschichte.

Regisseur Gustavo Taretto hat seinen Film einmal mit einem Baum verglichen: „Der Baum verändert sich mit der Zeit, mit den Jahreszeiten und besonders mit den Lichtverhältnissen.“ Bäume beschneidet man, damit sie wieder richtig blühen.

Dramaturgie: -
Sex: o
Bilder: +
Story: -
Musik: ?
Schauspiel: o
Durchblick: +

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